Die Jungfraubahn
fährt durch die Eiswelt der Alpen [1]
|
Es
war die Erfüllung einer technischen Vision und die
Realisierung eines Wunders mitten in der alpinen Eiswelt. Die Schweiz
kennt eine ganze Reihe von Eisenbahnpionieren. Der bekannteste ist
Alfred Escher, als Befürworter und Förderer des Baus
des Gotthardtunnels im 19. Jahrhundert. Weit weniger bekannt ist der
Züricher Textilunternehmer Adolf Guyer-Zeller. Dass
die Welt nur indirekt von ihm Kenntnis nimmt ist erstaunlich, galt er
doch zu seiner Zeit als großer
„Eisenbahn-Baron“. Touristen in den
Berner Alpen folgen heute seinen Spuren, wenn sie mit der Jungfraubahn
in das Gebirgsmassiv zwischen Eiger, Mönch und Jungfrau
fahren. Mehr als 760.000 Menschen lassen sich Jahr für Jahr
auf die Endstation am Jungfraujoch auf 3454 Meter über dem
Meer transportieren und erleben auf dem höchsten Bahnhof
Europas die Wunderwelt aus Schnee, Eis und Bergen, die unter der Marke
„Top of Europe“ vermarktet wird. Zu rund zwei
Dritteln kommen die Besucher inzwischen aus Asien. Entsprechend
erfolgen die Zug-Durchsagen auch auf Mandarin und Japanisch. Und auf
dem Jungfraujoch kümmert sich ein indisches Restaurant
speziell um diese Besuchergruppe.
Station
Eigergletscher und Mönch [3]
|
Die Idee für die Bahn kam Guyer-Zeller auf einer Wanderung mit
seiner Tochter unterhalb des Gipfeltrios. Das war am 26. August 1893.
Der damals Vierundfünfzigjährige hielt in seinem
Notizblock am Abend nach der Wanderung gleich einen Plan für
die Erschließung des Jungfrau-Gipfels fest. „Diese
Bahn soll unter allen Bergbahnen den ersten Platz erringen und
behaupten“, so schwebte es Guyer-Zeller vor. Aus dem
Gipfelsturm wurde zunächst jedoch nichts. Auch sonst entpuppte
sich der Bau als Marathonunternehmen. Vor Guyer-Zeller waren
schon zwei Pioniere gescheitert, die das Projekt von Lauterbrunnen aus
in Angriff nehmen wollten. Guyer-Zeller kam hingegen auf die Idee, erst
von der Kleinen Scheidegg aus zu starten und sich die bereits
fertiggestellte Wengernalpbahn zunutze zu machen.
Übersichtskarte
der Jungfraubahn [2]
|
Am Dezember 1894, 16 Monate nach der ersten Skizze, wurde die
Konzession für die Jungfraubahn erteilt und im Juli 1896
begannen die Bauarbeiten. Zwei Jahre später sollte die Station
„Eismeer“ erreicht sein, weitere zwei Jahre
später war die Fertigstellung unterhalb des Gipfels geplant.
Tatsächlich sollten 16 Jahre vergehen, ehe am 1. August 1912,
dem Schweizer Nationalfeiertag, die elektrisch getriebene Zahnradbahn
das erste Mal die Strecke bis zum Jungfraujoch befuhr. Der
Eisenbahnpionier erlebte es nicht mehr. Er war bereits 1899 mit nicht
einmal 60 Jahren gestorben. Seine Söhne führten den
Bau zwar weiter, entschieden aber aus finanziellen Gründen,
die Bahn am Jungfraujoch enden zu lassen. Der Gipfel blieb weiter das
Privileg der Bergsteiger, die am 3. August 1811, ziemlich genau 101
Jahre vor der ersten Bahnfahrt, den Berg im ewigen Eis zum ersten Mal
erklommen hatten.
Die Mühen des Streckensbaus
sind in der heutigen Zeit, wo modernste Baumaschinen und
Ausrüstung
Ankunft an
der Station Eigerwand [4]
|
zur Verfügung stehen, kaum mehr vorstellbar. Die ersten
Arbeiter mühten sich noch mit Hämmern und
Meißeln auf der Trasse und im Tunnelabschnitt. 30
Menschenleben forderte der Bau unter den meist aus Italien stammenden
Arbeitern. Die meisten starben bei Sprengunfällen. Die
Arbeitsbedingungen waren hart, der Lohn angesichts der Schwerstarbeit
und der Gefahren miserabel. Sechsmal traten die Arbeiter in den Streik.
Eigentümer der Strecke ist heute die 1994 gegründete
und börsennotierte Jungfraubahn Holding AG. Die
Besucher des Jungfraujochs lassen sich derweil seit 100 Jahren in eine
andere Welt entführen. Vielleicht verweilen sie auf den 3454
Metern auch einen Augenblick vor der Büste des
„Eisenbahnkönigs“ aus dem 19. Jahrhundert,
der ihnen dieses Erlebnis ermöglicht hat. Und Alfred Escher?
Sein Denkmal steht vor dem Hauptbahnhof in Zürich, in
Blickrichtung der Berge.
Bildnachweis:
[1] Salamanamanjaro
[2], [3], [4] Archiv